Der Gesetzgeber hat erkannt, dass auf dem Markt für Rechtsdienstleistungen Anpassungsbedarf besteht. Umgesetzt wurde dies durch das Gesetz zur Förderung verbrauchergerechter Angebote im Rechtsdienstleistungsmarkt, auch „Legal-Tech Gesetz“ genannt. Der Bundestag hat das Gesetz in seiner Sitzung vom 10.06.2021 mit kleineren Modifikationen verabschiedet (Bundestag, Beschl. v. 10.6.2021 – BT-Drs. 19/27673, BT-Drs. 19/30495). Nachdem das Gesetz am 25.06.2021 den Bundesrat passiert hat, tritt es am 01.10.2021 in Kraft. Durch das Gesetz wird das Verbot von Vereinbarungen über Erfolgshonorare für die Anwaltschaft im Inkassobereich teilweise gelockert. Auch wird klarer definiert, was künftig unter eine „Inkassodienstleistung“ fallen soll.
Hintergrund
Der Rechtsdienstleistungsmarkt wird in Deutschland staatlich reguliert mit nur wenigen Ausnahmen. So beinhaltet das Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt mit nur wenigen Erlaubnistatbeständen. Es besteht ein Quasimonopol der Rechtsanwälte bei Rechtsdienstleistungen. Wirtschaftsjuristinnen und Wirtschaftsjuristen sind de lege lata grundsätzlich nicht berechtigt, Rechtsdienstleistungen am Markt anzubieten.
In den letzten Jahren ist eine Entwicklung im Rechtsdienstleistungsmarkt zu erkennen, bei der Verbraucherinnen und Verbraucher, aber auch Unternehmen sich vermehrt von einem Legal Tech-Unternehmen als Inkassodienstleister vertreten lassen anstatt von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten. Die Vorteile werden meist im einfachen Zugang zum Recht gesehen, sowie in der Minimierung des Kostenrisikos durch eine Vergütung nur im Erfolgsfall. Hintergrund für das „Legal Tech Gesetz“ ist das BGH-Urteil zu wenigermiete.de (Urteil v. 27.11.2019 – VIII ZR 285/18), das durch die weite Auslegung des Inkassobegriffs des § 2 Abs. 2 S. 1 RDG zu einem Aufschwung der Legal Tech-Branche führte. Durch das Gesetz wurde der Inkassobegriff nun wieder enger gezogen. Das Gesetz gilt als Reaktion des Gesetzgebers auf die Grundsatzentscheidung des BGH.
Ziele
Ziel des Gesetzes ist es laut dem Gesetzgeber einen kohärenten Rechtsrahmen für Inkassodienstleistungen zu schaffen. Dabei soll die Transparenz und Verständlichkeit von Geschäftsmodellen im Bereich Legal Tech erhöht werden. Auch sollen Verbraucherinnen und Verbraucher geschützt werden, da im bisher geltenden Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) keine verbraucherschützenden Regelungen bestehen hinsichtlich der Inanspruchnahme von Inkassodienstleistungen. So will der Gesetzgeber Widersprüche zwischen dem Inkassorecht im RDG, sowie dem Berufsrecht in der BRAO und dem RVG beseitigen.
Inhalte
Durch das Gesetz wird es Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten gestattet, Erfolgshonorare für alle Geldforderungen bis 2.000 EUR mit ihren Mandanten zu vereinbaren und Verfahrenskosten zu übernehmen. Im Bereich der außergerichtlichen Forderungseinziehung werden Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte künftig mit Inkassodienstleistern gleichgestellt. Zudem werden die Anforderungen an die Registrierung als Inkassodienstleister erhöht und neue Informationspflichten eingeführt, um Verbraucherinnen und Verbraucher zu schützen.
Stellungnahme
Die VWJ begrüßt grundsätzlich das Ziel des Gesetzgebers, die Rechtssicherheit zu erhöhen durch eine klarere Abgrenzung zwischen Inkassodienstleistung und anwaltlicher Dienstleistung sowie der Sicherstellung von gleichen Wettbewerbsbedingungen zwischen Anwaltschaft und Legal Tech-Unternehmen. Das Gesetz klärt einige Unklarheiten über die Zulässigkeit dieser Inkassounternehmen auf. Die Anwaltschaft hatte teilweise verlangt den Inkassobegriff noch deutlicher einzuschränken und nur einfache Rechtsdienstleistungen wie Mahntätigkeiten zuzulassen. Der Gesetzgeber ist mit dem Gesetz nicht so weit gegangen. Unserer Erachtens wurde folgerichtig berücksichtigt, dass Legal Tech-Angebote den Zugang zum Recht insbesondere für Verbraucherinnen und Verbraucher verbessern und dass diese nicht als „Gefahr“ zu betrachten sind. Dem stimmt die VWJ zu. Die Verbraucherrechte werden insbesondere bei geringen Streitwerten gestärkt, deren Anspruchsdurchsetzung mangels Wirtschaftlichkeit meist nicht von der Anwaltschaft übernommen wird. Gleiches gilt auch, wenn sich Verbraucherinnen und Verbraucher aufgrund etwaiger Kostenrisiken gegen die konventionelle Rechtsdurchsetzung entscheiden. Kritisch zu betrachten ist allerdings, dass es der Anwaltschaft durch die Ermöglichung von Erfolgshonoraren, Honorarverzicht sowie die Verfahrenskostenübernahme ermöglicht wird, Legal-Tech Unternehmen im Wettbewerb einfacher entgegenzutreten. Das Gesetz fördert damit die Geschäftsinteressen der Anwaltschaft. Ob dies mit dem Ziel des Verbraucherschutzes, der sich schon aus dem Gesetzestitel ergibt, vereinbaren lässt, erscheint fraglich. Verbraucherinnen und Verbraucher, genauso wie Unternehmenskunden schätzen die Vorteile von Legal Tech-Unternehmen, die meist im effektiven, verständlichen und innovativen Zugang zum Recht gesehen werden. Diese Inkassounternehmen werden nun Schwierigkeiten bei der Registrierung und der Ausübung von Nebentätigkeiten zur klassischen Forderungseinziehung bekommen. Die VWJ setzt sich dafür ein das sogenannte „Anwaltsmonopol“ aufzubrechen, und den Rechtsdienstleistungsmarkt für verschiedene qualifizierte Berufsgruppen, insbesondere für Wirtschaftsjuristinnen und Wirtschaftsjuristen, zu öffnen. Dies beinhaltet auch den Einsatz von Technologie („Legal Tech“), um eine innovative und effiziente Rechtsberatung anbieten zu können.
In der mit dem Legal Tech Gesetz zugleich angenommenen Entschließung wird für die kommende Legislaturperiode bereits eine Anpassung angestrebt hinsichtlich der Aufsicht über das Registerverfahren für Inkassodientleister. Die VWJ sieht das Gesetz als nur einen Schritt bei der Reform des Rechtsdienstleistungsmarktes. Daher hat sich die VWJ als Berufsverband das Ziel gesetzt nach Aufbau einer starken Mitgliederbasis die berufsspezifischen Interessen der Mitglieder zu bündeln und Möglichkeiten zur Artikulation und Durchsetzung im legislativen Prozess zu geben.