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Legal Tech Gesetz - Ein kleiner Schritt bei der Liberalisierung des Rechtsdienstleistungsmarktes

Dominik Meinshausen • 7. November 2021

Stellungnahme der VWJ zum neuen Legal Tech Gesetz

Der Gesetzgeber hat erkannt, dass auf dem Markt für Rechtsdienstleistungen Anpassungsbedarf besteht. Umgesetzt wurde dies durch das Gesetz zur Förderung verbrauchergerechter Angebote im Rechtsdienstleistungsmarkt, auch „Legal-Tech Gesetz“ genannt. Der Bundestag hat das Gesetz in seiner Sitzung vom 10.06.2021 mit kleineren Modifikationen verabschiedet (Bundestag, Beschl. v. 10.6.2021 – BT-Drs. 19/27673, BT-Drs. 19/30495). Nachdem das Gesetz am 25.06.2021 den Bundesrat passiert hat, tritt es am 01.10.2021 in Kraft. Durch das Gesetz wird das Verbot von Vereinbarungen über Erfolgshonorare für die Anwaltschaft im Inkassobereich teilweise gelockert. Auch wird klarer definiert, was künftig unter eine „Inkassodienstleistung“ fallen soll.

Hintergrund

Der Rechtsdienstleistungsmarkt wird in Deutschland staatlich reguliert mit nur wenigen Ausnahmen. So beinhaltet das Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt mit nur wenigen Erlaubnistatbeständen. Es besteht ein Quasimonopol der Rechtsanwälte bei Rechtsdienstleistungen. Wirtschaftsjuristinnen und Wirtschaftsjuristen sind de lege lata grundsätzlich nicht berechtigt, Rechtsdienstleistungen am Markt anzubieten.

In den letzten Jahren ist eine Entwicklung im Rechtsdienstleistungsmarkt zu erkennen, bei der Verbraucherinnen und Verbraucher, aber auch Unternehmen sich vermehrt von einem Legal Tech-Unternehmen als Inkassodienstleister vertreten lassen anstatt von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten. Die Vorteile werden meist im einfachen Zugang zum Recht gesehen, sowie in der Minimierung des Kostenrisikos durch eine Vergütung nur im Erfolgsfall. Hintergrund für das „Legal Tech Gesetz“ ist das BGH-Urteil zu wenigermiete.de (Urteil v. 27.11.2019 – VIII ZR 285/18), das durch die weite Auslegung des Inkassobegriffs des § 2 Abs. 2 S. 1 RDG zu einem Aufschwung der Legal Tech-Branche führte. Durch das Gesetz wurde der Inkassobegriff nun wieder enger gezogen. Das Gesetz gilt als Reaktion des Gesetzgebers auf die Grundsatzentscheidung des BGH.

Ziele

Ziel des Gesetzes ist es laut dem Gesetzgeber einen kohärenten Rechtsrahmen für Inkassodienstleistungen zu schaffen. Dabei soll die Transparenz und Verständlichkeit von Geschäftsmodellen im Bereich Legal Tech erhöht werden. Auch sollen Verbraucherinnen und Verbraucher geschützt werden, da im bisher geltenden Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) keine verbraucherschützenden Regelungen bestehen hinsichtlich der Inanspruchnahme von Inkassodienstleistungen. So will der Gesetzgeber Widersprüche zwischen dem Inkassorecht im RDG, sowie dem Berufsrecht in der BRAO und dem RVG beseitigen.

Inhalte

Durch das Gesetz wird es Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten gestattet, Erfolgshonorare für alle Geldforderungen bis 2.000 EUR mit ihren Mandanten zu vereinbaren und Verfahrenskosten zu übernehmen. Im Bereich der außergerichtlichen Forderungseinziehung werden Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte künftig mit Inkassodienstleistern gleichgestellt. Zudem werden die Anforderungen an die Registrierung als Inkassodienstleister erhöht und neue Informationspflichten eingeführt, um Verbraucherinnen und Verbraucher zu schützen.

Stellungnahme

Die VWJ begrüßt grundsätzlich das Ziel des Gesetzgebers, die Rechtssicherheit zu erhöhen durch eine klarere Abgrenzung zwischen Inkassodienstleistung und anwaltlicher Dienstleistung sowie der Sicherstellung von gleichen Wettbewerbsbedingungen zwischen Anwaltschaft und Legal Tech-Unternehmen. Das Gesetz klärt einige Unklarheiten über die Zulässigkeit dieser Inkassounternehmen auf. Die Anwaltschaft hatte teilweise verlangt den Inkassobegriff noch deutlicher einzuschränken und nur einfache Rechtsdienstleistungen wie Mahntätigkeiten zuzulassen. Der Gesetzgeber ist mit dem Gesetz nicht so weit gegangen. Unserer Erachtens wurde folgerichtig berücksichtigt, dass Legal Tech-Angebote den Zugang zum Recht insbesondere für Verbraucherinnen und Verbraucher verbessern und dass diese nicht als „Gefahr“ zu betrachten sind. Dem stimmt die VWJ zu. Die Verbraucherrechte werden insbesondere bei geringen Streitwerten gestärkt, deren Anspruchsdurchsetzung mangels Wirtschaftlichkeit meist nicht von der Anwaltschaft übernommen wird. Gleiches gilt auch, wenn sich Verbraucherinnen und Verbraucher aufgrund etwaiger Kostenrisiken gegen die konventionelle Rechtsdurchsetzung entscheiden. Kritisch zu betrachten ist allerdings, dass es der Anwaltschaft durch die Ermöglichung von Erfolgshonoraren, Honorarverzicht sowie die Verfahrenskostenübernahme ermöglicht wird, Legal-Tech Unternehmen im Wettbewerb einfacher entgegenzutreten. Das Gesetz fördert damit die Geschäftsinteressen der Anwaltschaft. Ob dies mit dem Ziel des Verbraucherschutzes, der sich schon aus dem Gesetzestitel ergibt, vereinbaren lässt, erscheint fraglich. Verbraucherinnen und Verbraucher, genauso wie Unternehmenskunden schätzen die Vorteile von Legal Tech-Unternehmen, die meist im effektiven, verständlichen und innovativen Zugang zum Recht gesehen werden. Diese Inkassounternehmen werden nun Schwierigkeiten bei der Registrierung und der Ausübung von Nebentätigkeiten zur klassischen Forderungseinziehung bekommen. Die VWJ setzt sich dafür ein das sogenannte „Anwaltsmonopol“ aufzubrechen, und den Rechtsdienstleistungsmarkt für verschiedene qualifizierte Berufsgruppen, insbesondere für Wirtschaftsjuristinnen und Wirtschaftsjuristen, zu öffnen. Dies beinhaltet auch den Einsatz von Technologie („Legal Tech“), um eine innovative und effiziente Rechtsberatung anbieten zu können.

In der mit dem Legal Tech Gesetz zugleich angenommenen Entschließung wird für die kommende Legislaturperiode bereits eine Anpassung angestrebt hinsichtlich der Aufsicht über das Registerverfahren für Inkassodientleister. Die VWJ sieht das Gesetz als nur einen Schritt bei der Reform des Rechtsdienstleistungsmarktes. Daher hat sich die VWJ als Berufsverband das Ziel gesetzt nach Aufbau einer starken Mitgliederbasis die berufsspezifischen Interessen der Mitglieder zu bündeln und Möglichkeiten zur Artikulation und Durchsetzung im legislativen Prozess zu geben.

von Martin Lager 8. November 2024
Gemeinsame Presseerklärung vom Deutschen Anwaltverein (DAV), der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK), dem Deutschen Richterbund (DRB), dem Deutschen Juristinnenbund (djb), dem Deutschen Juristentag (djt), der Neuen Richtervereinigung (NRV), dem Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV) und der Vereinigung der Wirtschaftsjuristinnen und -juristen (VWJ). Den Rechtsstaat auch in der Krise bewahren: Unabhängigkeit des Bundesverfassungsgerichts stärken Berlin. Nach dem Bruch der Ampelkoalition werden auch zahlreiche rechtspolitische Vorhaben nicht mehr umgesetzt. Die geplante Grundgesetzänderung zur Stärkung der Resilienz des Bundesverfassungsgerichts ist aber von so herausragender Bedeutung für den Rechtsstaat, dass alle demokratischen Parteien sich dafür einsetzen müssen, die Reform noch vor den angestrebten Neuwahlen zu beschließen. Die Verbände fordern, das in erster Lesung bereits konsentierte und überparteiliche Projekt jetzt zügig abzuschließen. Den demokratischen Parteien im Bundestag ist es gelungen, gemeinsam ein gutes Konzept zur Stärkung des Bundesverfassungsgerichts vorzulegen. Jetzt gilt es, die erarbeiteten Gesetzesentwürfe zur besseren Absicherung des Gerichts schnellstmöglich zu verabschieden. Das gehört zu den vordringlichsten Aufgaben bis zum Jahresende. Es darf nicht sein, dass das Erreichte wegen des vorzeitigen Endes der Legislaturperiode doch noch scheitert. Es wäre unverantwortlich, wenn ein besserer Schutz des Karlsruher Gerichts vor gezielten Eingriffen oder Blockaden am parteipolitischen Streit über die Wirtschafts- und Finanzpolitik in der Ampel scheitern würde. Wir appellieren daher dringend an alle demokratischen Fraktionen im Bundestag: Beschließen Sie jetzt die notwendigen Änderungen des Grundgesetzes, um das Bundesverfassungsgericht als Bollwerk der Demokratie zu stärken.
von Martin Lager 7. Juli 2024
Nathalia Schomerus referierte am 27.02.2024 bei der VWJ im Rahmen der monatlichen Present Your-Vortragsreihe mit dem Titel „ Mit Vertragsklauseln chatten: Was kann generative KI im Rechtsbereich? “. Inhalt des Vortrags: Was meint eigentlich „semantische Suche“, „Vektorisierung“, „Annotierung“, „RAG“ oder „Halluzination“? Wie kann uns das bei der juristischen Arbeit unterstützen? Welche Entwicklungen sind schon abzusehen, welche eher nicht? Was sind technische und rechtliche Unwägbarkeiten? Und was haben Bagel und Chihuahuas mit der Zukunft des Rechtsmarktes zu tun? Diese und mehr Fragen wurden im Vortrag beantwortet.
von Martin Lager 25. April 2023
Niklas Lassen und Matthias Osing referierten am 21.02.2023 bei der VWJ im Rahmen der monatlichen Present Your-Vortragsreihe mit dem Titel „ Kein/e Anwält:in benötigt: Vertragsgeneratoren als Motor der Innovation “. Inhalt des Vortrags: Durch eine Reihe von Entscheidungen im Bereich Legal Tech sorgte der Bundesgerichtshof in den vergangenen Jahren für eine voranschreitende Liberalisierung des Rechtsdienstleistungsmarktes und somit für zunehmenden Unmut in der Anwaltschaft. Niklas Lassen und Matthias Osing erläuterten in diesem Vortrag, wie der Gesetzgeber auf diese Entscheidungen reagierte und welche Möglichkeiten sich daraus für eine mögliche Selbstständigkeit von Wirtschaftsjurist:innen ergeben. Die beiden Gründer berichteten aus eigener Erfahrung über die Funktionsweise ihrer Vertragsgeneratoren sowie von Chancen und Stolpersteinen der frühen Phase der Selbstständigkeit.
von Laura Herr 5. Februar 2023
Am Freitag, den 03.02.2023, fand unsere erste Präsenzveranstaltung des Jahres 2023 statt: der VWJ x TQG Legal Tech Dialog . Gemeinsam mit unserem Kooperationspartner der The Quality Group GmbH konnten wir einen zertifizierten Workshop in Berlin ausrichten. Neun Mitglieder folgten der Einladung, wobei es besonders schön war, neue und bereits bekannte Gesichter auch vor Ort zu sehen. Steffen Schaar (Mitglied der Geschäftsführung der TQG) und Samuel Marcius (Customer Engagement Manager & Creative Process Advisor der TQG) nahmen dabei die weite Reise aus Böblingen auf sich, um mit Blick über die Dächer Berlins rund um das Thema Legal Tech – digitales Arbeiten mit Service Workflows zur Effizienzsteigerung im Arbeitsalltag zu referieren. Dabei gingen sie unter anderem auf Potentiale im digitalen Alltag von Organisationen und auf die Erarbeitung von nachhaltigen, verbindlichen Mechanismen im Umgang mit Wissen, Daten, und Dokumenten sowie auf die praktische Erarbeitung von Qualität und Verbindlichkeit in der Ablauforganisation mittels Workflows (BPMN 2.0) ein. Wie der Veranstaltungstitel erahnen lässt, handelte es sich um einen Dialog zwischen den Referenten und den Teilnehmenden. Ganz nach dem Motto „Jeder kann programmieren“ wurde ein Workflow nach den Anforderungen der Teilnehmenden erstellt. Wir danken der TQG für diese hochrelevanten Informationen und dem spannenden Austausch!
von Lucas Zoller 29. Januar 2023
Prof. Dr. Michael Fuhlrott referierte am 26.01.2023 bei der VWJ im Rahmen der monatlichen Vortragsreihe „Present Your …“ mit dem Titel „Die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung – oder: Stempelst Du schon?“.
von Dominik Meinshausen 31. Dezember 2022
Rückblick auf die VWJ-Geschehnisse des Jahres 2022
von Arne Freese 29. Dezember 2022
Die VWJ thematisiert die Ungleichheit der Nutzungsvoraussetzungen des beA-Postfachs. In diesem Beitrag wird Stellung bezogen und Handlungsbedarf aufgezeigt.
von Martin Lager 4. August 2022
Die VWJ bezieht Stellung zur emotional diskutierten Thematik eines integrierten Bachelors (LL.B.) im Jurastudium. Dabei legen wir unsere Ansicht zu den notwendigen Rahmenbedingungen einer etwaigen Einführung dar und ergänzen die Diskussion um eine neue Perspektive: die der Wirtschaftsjuristinnen und -juristen.
von Martin Lager 14. Juni 2022
Hintergründe zum Cover & Interview des DiALOG-Magazins mit einigen aktiven Mitgliedern der VWJ
von Alexander Keilbach 5. Juni 2022
Der Beitrag widmet sich dem Berufsfeld der Insolvenzverwaltung aus der Perspektive von Wirtschaftsjuristinnen und -juristen und zeigt auf, warum der Studiengang Wirtschaftsrecht sich hervorragend eignet, um in der Insolvenzverwaltung tätig zu werden.
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