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Stellungnahme zur Exklusivität des beA-Postfachs

Arne Freese • 29. Dezember 2022
Vor einigen Wochen erreichte uns eine Anfrage aus unserer Mitgliedschaft, derer wir uns gern angenommen haben. Unser Mitglied ist in einer Kanzlei für Insolvenzrecht tätig und nach § 56 InsO zur Insolvenzverwaltung bestellt. Vom zuständigen Gericht wurde unser Mitglied aufgefordert, sämtlichen Schriftverkehr über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) abzuwickeln. 
Das beA soll zugelassenen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten die sichere elektronische Kommunikation mit der Justiz, Behörden und untereinander ermöglichen. Unser Mitglied ist jedoch kein Mitglied einer Rechtsanwaltskammer und bekommt daher kein besonderes elektronisches Anwaltspostfach zur Verfügung gestellt. Dieses ist nämlich exklusiv den Mitgliedern der Rechtsanwaltskammern vorbehalten.
Aufgrund des uns geschilderten Missstands, haben wir uns als Vereinigung der Wirtschaftsjuristinnen und -juristen e. V. entschieden, die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) sowie das Bundesministerium der Justiz (BMJ) zu kontaktieren und um Stellungnahme zu bitten. Den Sachverhalt und die eingegangenen Stellungnahmen möchten wir gern aufgreifen und einordnen.

Berufung zur Insolvenzverwaltung

Mit Inkrafttreten der Insolvenzverordnung am 01.01.1999 (BGBI. I S. 2866) wurde in § 56 InsO die Bestellung zur Insolvenzverwaltung geregelt. Damals wie heute galt, dass „eine für den jeweiligen Einzelfall geeignete, insbesondere geschäftskundige und von den Gläubigern und dem Schuldner unabhängige natürliche Person zu bestellen“ ist. Ein Vorbehalt dieses Berufes für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte bestand somit nicht. Aufgrund der Komplexität und zahlreichen juristischen Fragestellungen im Rahmen von Insolvenzverfahren wurden typischerweise Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte als Insolvenzverwaltende bestellt. Geprägt durch einen starken Wandel in der juristischen Arbeitsrealität und durch neue Berufsbilder für Juristinnen und Juristen, wie z. B. durch juristische Bachelor- und Master-Abschlüsse, wurde die Berufung von spezialisierten Wirtschaftsjuristinnen und -juristen zur Insolvenzverwaltung immer häufiger. Spätestens seit dem Beschluss vom 03.08.2004 des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Kammerbeschluss – 1 BvR 135/00 –, - 1 BvR 1086/01 -, Rn. 28) ist nun endgültig klargestellt, dass das Berufsbild von Insolvenzverwaltenden nicht mehr nur als bloße Nebentätigkeit der Berufsausübung als Rechtsanwältin und Rechtsanwalt angesehen werden kann, sondern eine eigenständige Berufsgruppe darstellt.

Die Digitalisierung der Justiz

Mit dem Zustellungsreformgesetz vom 25. Juni 2001 und dem Formvorschriftenanpassungsgesetz vom 13. Juli 2001 ebnete der Gesetzgeber durch das Ergänzen einer elektronischen Form neben der Schriftform den Weg für die die Digitalisierung der deutschen Justiz. Durch die Einführung des Justizkommunikationsgesetz vom 22. März 2005 können Prozessakten seither auch elektronisch geführt werden. Mit dem Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10.10.2013 wurden die §§ 31 sowie 177 der Bundesrechtsanwaltsordnung angepasst sowie die §§ 31a und 31b ergänzt. Durch diese wurde die Bundesrechtsanwaltskammer verpflichtet, für jedes Mitglied in Deutschland für die Dauer der Zulassung ein beA einzurichten. Erwartungsgemäß fiel auch die Stellungnahme der Bundesrechtsanwaltskammer aus, welche wir auf unsere Anfrage hin erhielten. Diese verwies lediglich auf ihren gesetzlichen Auftrag und sah ihre Zuständigkeit nur auf im Rechtsanwaltsverzeichnis eingetragene Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte begrenzt.

Mit der Einführung des Gesetzes zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten (u. a. zur Einführung des beA) im Jahr 2013 hat der Gesetzgeber aus Sicht der Vereinigung der Wirtschaftsjuristinnen und -juristen e. V. vernachlässigt, dass auch weitere Berufsgruppen, insbesondere Wirtschaftsjuristinnen und -juristen, vermehrt als Insolvenzverwaltende tätig sind. Offensichtlich hat auch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2004 keine Berücksichtigung bei der Entscheidung gefunden. Dies wäre aus unserer Sicht eine Chance gewesen, die Digitalisierung der Justiz umfassend zu gestalten. Stattdessen wurde die Monopolstellung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte gegenüber den Wirtschaftsjuristinnen und Wirtschaftsjuristen beibehalten.

Im Rahmen der Reformierung der digitalen Justiz durch das Gesetz zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten und zur Änderung weiterer Vorschriften (BGBI. I S. 4607) im Jahr 2021 bestand für den Gesetzgeber erneut die Möglichkeit, diesen Missstand zu beheben. In der Stellungnahme des Bundesministeriums der Justiz wurde lediglich auf die Gesetzesbegründung zum Entwurf der Bundesregierung für das Gesetz zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten und zur Änderung weiterer prozessrechtlicher Vorschriften (Bundestagsdrucksache 19/28399 vom 13. April 2021, Seite 23) verwiesen. Dort hätte sich der Gesetzgeber noch einmal ausreichend mit der Sache befasst und klargestellt, dass er in diesem Fall keinen Handlungsbedarf sieht. Konkret wurde in der Gesetzesbegründung gerade einmal festgehalten, dass Insolvenzverwaltende, mit Verweis auf die Einführung des besonderen elektronisches Bürger- und Organisationenpostfachs – kurz: eBO, lediglich die Möglichkeit zur Einreichung elektronischer Dokumente erhalten sollen. Eine Einbeziehung in den Kreis der zur elektronischen Einreichung verpflichteten Personen nach § 130d ZPO sei mit dieser Gesetzesänderung laut dem BMJ nicht verbunden gewesen. Zudem ergänzt das BMJ: „Soweit einzelne Gerichte die Insolvenzverwalterinnen und Insolvenzverwalter dennoch der elektronischen Einreichungspflicht des § 130d ZPO unterwerfen, verkennen sie nicht zuletzt auch deren Stellung als Partei kraft Amtes im Insolvenzverfahren, die sich von der Aufgabenwahrnehmung einer anwaltlichen Vertretung im Sinne des § 130d ZPO deutlich unterscheidet.“ Diese Argumentation ist aus Sicht der Vereinigung der Wirtschaftsjuristinnen und -juristen e. V. zwar nachvollziehbar, jedoch entspricht dies offensichtlich nicht der Praxis. Vielmehr wird von den Gerichten somit ein Verhalten gefordert, welches weder der divergierenden Praxis entspricht noch ein Umfeld gleicher Voraussetzungen für sämtliche zur Insolvenzverwaltung bestellter Personen schafft. 

Über das von der Bundesregierung in der Begründung zum o. g. Gesetzestext angeführte besondere Bürger- und Organisationenpostfachs (eBO) sollen Bürgerinnen und Bürger sowie Organisationen seit dem 01.01.2022 elektronische Dokumente sicher und zuverlässig mit der Justiz austauschen können. Zum vorgesehenen Personenkreis zählen laut der Bundesregierung auch „Verbände und Unternehmen sowie andere Verfahrensbeteiligte wie beispielsweise Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher, Sachverständige, Dolmetscherinnen und Dolmetscher, Betreuerinnen und Betreuer, Insolvenzverwalterinnen und -verwalter oder Steuerberaterinnen und Steuerberater […].“ Auch nach Aussage unseres Mitglieds bestehen Alternativen, um die Kommunikation mit den Gerichten abzuwickeln, doch unterscheiden sich diese beträchtlich in den Bereitstellungskosten und dem Einrichtungsaufwand. Daher käme zwar das elektronische Bürger- und Organisationenpostfach (eBO) technisch in Betracht, doch unterscheidet sich dieses in den jeweiligen Bereitstellungskosten jedoch beträchtlich von den Kosten des beA.

Stellungnahme der VWJ

Wie bereits angeklungen bedauern wir als Vereinigung der Wirtschaftsjuristinnen und -juristen e. V. die Ungleichbehandlung von Wirtschaftsjuristinnen und -juristen. Trotz gleicher Funktion bestehen für sie als bestellte Insolvenzverwaltende, schlechtere Ausgangsvoraussetzungen in der täglichen Arbeit als bei Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten. Aus unserer Sicht besteht hierfür kein ausreichender Rechtfertigungsgrund. Sowohl 2013 als auch 2021 hat der Gesetzgeber versäumt, gleiche Rahmenbedingungen für die elektronische Kommunikation mit den Gerichten zu schaffen und die Digitalisierung in der Justiz umfassend zu gestalten. Vielmehr verwundert uns die Einführung des zum 01.01.2023 geplanten besonderen elektronischen Steuerberaterpostfachs – kurz beSt. So wurde doch gerade in der Gesetzesbegründung zum Entwurf der Bundesregierung für das Gesetz zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten und zur Änderung weiterer prozessrechtlicher Vorschriften (Bundestagsdrucksache 19/28399 vom 13. April 2021, Seite 23) im Jahr 2021 darauf verwiesen, dass das elektronische Bürger- und Organisationenpostfach (eBO) auch von Steuerberaterinnen und Steuerberater genutzt werden soll. Stattdessen setzt der Gesetzgeber weiterhin auf die Schaffung von Insellösungen über die jeweiligen Berufskammern. Weitere Postfächer dieser Art werden zum Beispiel Notarinnen und Notaren über die Bundesnotarkammer zur Verfügung gestellt. Aus unserer Sicht ist kein Mehrwert weiterer Postfächer dieser Art zu erkennen.

Wir als Vereinigung der Wirtschaftsjuristinnen und -juristen e. V. halten diese Ungleichbehandlung von Berufsgruppen für grundfalsch und fordern den Gesetzgeber auf, mehr Chancengleichheit und Einheitlichkeit im elektronischen Rechtsverkehr zu schaffen. Dies würde z. B. dadurch erreicht, dass alle am Rechtsverkehr Teilnehmenden das besondere Bürger- und Organisationenpostfachs (eBO) zu identischen Konditionen, unabhängig von einer Kammerzugehörigkeit, nutzen.

Auf eine sachliche Diskussion um die besten Argumente!

Eure VWJ

von Martin Lager 8. November 2024
Gemeinsame Presseerklärung vom Deutschen Anwaltverein (DAV), der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK), dem Deutschen Richterbund (DRB), dem Deutschen Juristinnenbund (djb), dem Deutschen Juristentag (djt), der Neuen Richtervereinigung (NRV), dem Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV) und der Vereinigung der Wirtschaftsjuristinnen und -juristen (VWJ). Den Rechtsstaat auch in der Krise bewahren: Unabhängigkeit des Bundesverfassungsgerichts stärken Berlin. Nach dem Bruch der Ampelkoalition werden auch zahlreiche rechtspolitische Vorhaben nicht mehr umgesetzt. Die geplante Grundgesetzänderung zur Stärkung der Resilienz des Bundesverfassungsgerichts ist aber von so herausragender Bedeutung für den Rechtsstaat, dass alle demokratischen Parteien sich dafür einsetzen müssen, die Reform noch vor den angestrebten Neuwahlen zu beschließen. Die Verbände fordern, das in erster Lesung bereits konsentierte und überparteiliche Projekt jetzt zügig abzuschließen. Den demokratischen Parteien im Bundestag ist es gelungen, gemeinsam ein gutes Konzept zur Stärkung des Bundesverfassungsgerichts vorzulegen. Jetzt gilt es, die erarbeiteten Gesetzesentwürfe zur besseren Absicherung des Gerichts schnellstmöglich zu verabschieden. Das gehört zu den vordringlichsten Aufgaben bis zum Jahresende. Es darf nicht sein, dass das Erreichte wegen des vorzeitigen Endes der Legislaturperiode doch noch scheitert. Es wäre unverantwortlich, wenn ein besserer Schutz des Karlsruher Gerichts vor gezielten Eingriffen oder Blockaden am parteipolitischen Streit über die Wirtschafts- und Finanzpolitik in der Ampel scheitern würde. Wir appellieren daher dringend an alle demokratischen Fraktionen im Bundestag: Beschließen Sie jetzt die notwendigen Änderungen des Grundgesetzes, um das Bundesverfassungsgericht als Bollwerk der Demokratie zu stärken.
von Martin Lager 7. Juli 2024
Nathalia Schomerus referierte am 27.02.2024 bei der VWJ im Rahmen der monatlichen Present Your-Vortragsreihe mit dem Titel „ Mit Vertragsklauseln chatten: Was kann generative KI im Rechtsbereich? “. Inhalt des Vortrags: Was meint eigentlich „semantische Suche“, „Vektorisierung“, „Annotierung“, „RAG“ oder „Halluzination“? Wie kann uns das bei der juristischen Arbeit unterstützen? Welche Entwicklungen sind schon abzusehen, welche eher nicht? Was sind technische und rechtliche Unwägbarkeiten? Und was haben Bagel und Chihuahuas mit der Zukunft des Rechtsmarktes zu tun? Diese und mehr Fragen wurden im Vortrag beantwortet.
von Martin Lager 25. April 2023
Niklas Lassen und Matthias Osing referierten am 21.02.2023 bei der VWJ im Rahmen der monatlichen Present Your-Vortragsreihe mit dem Titel „ Kein/e Anwält:in benötigt: Vertragsgeneratoren als Motor der Innovation “. Inhalt des Vortrags: Durch eine Reihe von Entscheidungen im Bereich Legal Tech sorgte der Bundesgerichtshof in den vergangenen Jahren für eine voranschreitende Liberalisierung des Rechtsdienstleistungsmarktes und somit für zunehmenden Unmut in der Anwaltschaft. Niklas Lassen und Matthias Osing erläuterten in diesem Vortrag, wie der Gesetzgeber auf diese Entscheidungen reagierte und welche Möglichkeiten sich daraus für eine mögliche Selbstständigkeit von Wirtschaftsjurist:innen ergeben. Die beiden Gründer berichteten aus eigener Erfahrung über die Funktionsweise ihrer Vertragsgeneratoren sowie von Chancen und Stolpersteinen der frühen Phase der Selbstständigkeit.
von Laura Herr 5. Februar 2023
Am Freitag, den 03.02.2023, fand unsere erste Präsenzveranstaltung des Jahres 2023 statt: der VWJ x TQG Legal Tech Dialog . Gemeinsam mit unserem Kooperationspartner der The Quality Group GmbH konnten wir einen zertifizierten Workshop in Berlin ausrichten. Neun Mitglieder folgten der Einladung, wobei es besonders schön war, neue und bereits bekannte Gesichter auch vor Ort zu sehen. Steffen Schaar (Mitglied der Geschäftsführung der TQG) und Samuel Marcius (Customer Engagement Manager & Creative Process Advisor der TQG) nahmen dabei die weite Reise aus Böblingen auf sich, um mit Blick über die Dächer Berlins rund um das Thema Legal Tech – digitales Arbeiten mit Service Workflows zur Effizienzsteigerung im Arbeitsalltag zu referieren. Dabei gingen sie unter anderem auf Potentiale im digitalen Alltag von Organisationen und auf die Erarbeitung von nachhaltigen, verbindlichen Mechanismen im Umgang mit Wissen, Daten, und Dokumenten sowie auf die praktische Erarbeitung von Qualität und Verbindlichkeit in der Ablauforganisation mittels Workflows (BPMN 2.0) ein. Wie der Veranstaltungstitel erahnen lässt, handelte es sich um einen Dialog zwischen den Referenten und den Teilnehmenden. Ganz nach dem Motto „Jeder kann programmieren“ wurde ein Workflow nach den Anforderungen der Teilnehmenden erstellt. Wir danken der TQG für diese hochrelevanten Informationen und dem spannenden Austausch!
von Lucas Zoller 29. Januar 2023
Prof. Dr. Michael Fuhlrott referierte am 26.01.2023 bei der VWJ im Rahmen der monatlichen Vortragsreihe „Present Your …“ mit dem Titel „Die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung – oder: Stempelst Du schon?“.
von Dominik Meinshausen 31. Dezember 2022
Rückblick auf die VWJ-Geschehnisse des Jahres 2022
von Martin Lager 4. August 2022
Die VWJ bezieht Stellung zur emotional diskutierten Thematik eines integrierten Bachelors (LL.B.) im Jurastudium. Dabei legen wir unsere Ansicht zu den notwendigen Rahmenbedingungen einer etwaigen Einführung dar und ergänzen die Diskussion um eine neue Perspektive: die der Wirtschaftsjuristinnen und -juristen.
von Martin Lager 14. Juni 2022
Hintergründe zum Cover & Interview des DiALOG-Magazins mit einigen aktiven Mitgliedern der VWJ
von Alexander Keilbach 5. Juni 2022
Der Beitrag widmet sich dem Berufsfeld der Insolvenzverwaltung aus der Perspektive von Wirtschaftsjuristinnen und -juristen und zeigt auf, warum der Studiengang Wirtschaftsrecht sich hervorragend eignet, um in der Insolvenzverwaltung tätig zu werden.
von Tessa Irrgang 20. Februar 2022
Wirtschaftsrecht - ein Studiengang, aber zu viele Möglichkeiten? Nichts Ganzes und nichts Halbes? Keine umfassende juristische Breitbandausbildung im klassischen Sinne, keine Staatsexamina, ein die Entscheidungsunfreudigkeit der heutigen Jugend förderndes Konstrukt? Die negative Kritik an der Modernisierung der juristischen Ausbildungsmöglichkeiten ist groß. Und doch öffnet genau dieses Studium den Absolventinnen und Absolventen einen Zugang zum Markt, der kaum Grenzen aufweist. Durch gesellschaftsrechtliche und liegenschaftsrechtliche Nischenspezialisierung bereitete mich das Studium nicht nur auf einen sauberen Einstieg in Unternehmen oder Wirtschaftskanzleien vor, sondern bot mir die Möglichkeit, mit tiefgreifendem rechtlichen Verständnis in einen relativ exklusiven Teil des Marktes einzusteigen - ins Notariat - und das, ohne Volljuristin zu sein. Der Notar als Öffentliche Stelle in seiner ganzen Ehrwürdigkeit bleibt in Berlin eine geschützte Position, nur erreichbar über die Befähigung zum Richteramt und eine qualifizierte Weiterbildung zum Anwaltsnotar. Ich muss zugeben, dass ich dieser Tatsache kritisch gegenüberstehe, stellt unsere spezialisierte wirtschaftsjuristische Ausbildung mit Praxisbezug doch in meinen Augen eine ebenso solide Grundlage dar, um indirekt die Wirtschaftswelt mitzugestalten. Doch natürlich, es gibt eben juristische Bereiche, die unser Studium nicht abdeckt, wie das im Notariat so wichtige Erb- und Familienrecht. Ist dies der springende Punkt, weshalb es uns verwehrt bleiben sollte, die Weiterbildung zum Notar oder zur Notarin zu absolvieren? Eine Weiterbildung, die noch einmal eben jene Themenschwerpunkte notarspezifisch aufarbeitet und aus einem neuen Blickwinkel lehrt? Obwohl doch das Metier des Notars eine einzigartige Brücke bildet, zwischen einer staatlichen Institution und der Wirtschaftswelt. Ebenso wie auch der Beruf des Wirtschaftsjuristen eine Brücke schafft zwischen Wirtschaftswelt und dem Rechtswesen. Während ich so über die Parallelen und Diskrepanzen dieser Gegenüberstellung grübele, bleibt mir wohl doch erst einmal nur die Position als qualifizierte Mitarbeiterin im Notariat, um die Wirtschaftswelt indirekt mitgestalten zu können. In den Bereichen des Vertragswesens, der Gründungsprozesse, bei der Begleitung der Gesellschaften im Alltagsgeschäft und natürlich im allumfassenden Immobilienwesen kann ich mein Studium direkt in die Praxis umsetzen, doch immer mit dem Hintergedanken, dass meine Ausbildung so viel mehr Potential schafft. Vielleicht ist es an der Zeit umzudenken und mit moderner Umstrukturierung des Rechtswesens die Exklusivität der Notariate ein Stück weit aufzubrechen und Raum zu geben, für modernes Denken und Anpassung an die junge, aufgeschlossene Nachwuchsgeneration der Wirtschaftsjuristinnen und Wirtschaftsjuristen.
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