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Recap: Present Your with Nathalia Schomerus

Martin Lager • 7. Juli 2024

Nathalia Schomerus referierte am 27.02.2024 bei der VWJ im Rahmen der monatlichen Present Your-Vortragsreihe mit dem Titel „Mit Vertragsklauseln chatten: Was kann generative KI im Rechtsbereich?“. 

 

Inhalt des Vortrags: Was meint eigentlich „semantische Suche“, „Vektorisierung“, „Annotierung“, „RAG“ oder „Halluzination“? Wie kann uns das bei der juristischen Arbeit unterstützen? Welche Entwicklungen sind schon abzusehen, welche eher nicht? Was sind technische und rechtliche Unwägbarkeiten? Und was haben Bagel und Chihuahuas mit der Zukunft des Rechtsmarktes zu tun? Diese und mehr Fragen wurden im Vortrag beantwortet.


VWJ: Welche Basics benötigt man, um beim Thema generative KI Schritt halten zu können?

Nathalia Schomerus: "Einige technische Grundlagen helfen bei der Nutzung von generativer KI und bei der Einordnung von Anwendungen. Wer die Funktionsweisen generativer KI versteht, kann zum Beispiel derzeit besser geeignete Anwendungsfälle für die eigene Arbeit suchen und KI-basierte Tools bewerten. Dazu gehören Themen, die eng mit den Funktionen generativer KI verknüpft sind, z.B. semantische Suche, Vektorisierung, Embeddings, Halluzinationen und Halluzitationen, RAG, Hosting, Cloud Computing oder Finetuning. Diese in ihren Grundzügen zu verstehen, kann auch für das eigene Prompting nützlich sein. Zu diesen Themen haben unter anderem mehrere der großen Tech-Anbieter kostenlose Online-Module veröffentlicht. Ich kann allen empfehlen, sich diese anzusehen, falls das eigene Unternehmen nicht bereits ein Trainingsprogramm anbietet.
Hinzu kommt das praktische Experimentieren mit Anwendungen. Selbst dann, wenn das eigene Unternehmen keine speziellen KI-Tools zur Verfügung stellt, sind beispielsweise die großen Sprachmodelle ChatGPT 4o, Claude 3.5, Gemini 1.5 oder Llama 3 frei verfügbar. Auch Anbieter wie Adobe bieten inzwischen Chatbots und KI-Funktionen an, die man mit eigenen Dokumenten ausprobieren kann. Dadurch kann man nicht nur den Umgang mit generativer KI üben, sondern auch ein besseres Verständnis für ihre Stärken und Limitierungen gewinnen."
 
VWJ: Welches ist der am weitesten verbreitete Irrglaube, dem du im Zusammenhang mit generativer KI begegnet bist?

Nathalia Schomerus: "Häufig begegnet mir die Vorstellung, es gäbe "die KI". Die fehlende Abgrenzung zwischen verschiedenen Arten von KI und Tech im Allgemeinen sorgt zum Teil für übersteigerte Erwartungen und Missverständnisse rund um die Anwendung von KI-Systemen. Generative KI ist nur eine Untergruppe von Machine Learning, eine Untergruppe von Deep Learning, eine Untergruppe von Künstlicher Intelligenz. Die KI, die Flugzeuge einander automatisiert ausweichen lässt, ist etwas anderes, als das große Sprachmodell, das mir bei der Formulierung von E-Mails hilft. Verschiedene Arten von KI haben verschiedene Anwendungsfälle und werden auf unterschiedliche Weise trainiert, um bestimmte Dinge besonders gut zu können. Häufig bedeutet KI-Implementierung daher, die jeweils passende KI zu finden und so die jeweiligen Stärken zu nutzen. In Zukunft kann es sein, dass eine vorgeschaltete KI bei der Auswahl der jeweils passenden Modelle hilft oder sie ganz übernimmt, doch derzeit haben wir gerade im rechtlichen Bereich noch nicht "die KI", die sowohl die Erfolgswahrscheinlichkeit einer Klage berechnet als auch Aufgaben aus einem Teams-Call zusammenträgt und schriftlich fixiert."
 
VWJ: Welche grundsätzlichen Fragen muss man sich stellen, wenn man über den Einsatz von KI im Unternehmen/der Rechtsabteilung nachdenkt?

Nathalia Schomerus: "Welche Aufgaben können besonders gut (teil-)automatisiert werden und welche Use Cases stellen die großen Hebel dar? Kommt es bei ihnen auf Genauigkeit und Fehlerfreiheit an? Ist eine Eigenentwicklung (ggf. mit einem Anbieter) oder das Einkaufen einer Lösung sinnvoller? Welche zukünftigen Entwicklungen großer Anbieter könnten die Lösung ersetzen oder überflüssig machen? Welche internen Daten liegen wo, in welchem Umfang und in welcher Qualität vor? Wie sind sie geschützt? Welche Trainings, Schulungen und ggf. Kulturwandel sind für die erfolgreiche Nutzung von KI notwendig? Welche gesetzlichen und internen Vorgaben gibt es bezüglich der Nutzung von KI und der Verarbeitung von Daten?
Die erste Frage ist dabei die wichtigste. Häufig begegnen mir Herausforderungen, die mit generativer KI gelöst werden sollen, aber für die sich etwas anderes (noch) besser eignet. Ein Beispiel ist der oft unterschätzte Wert klassischer Legal-Tech-Lösungen wie der Vertragsautomatisierung. So kann eine automatisierte Erstellung etwa von Arbeitsverträgen auch ohne KI anschließend bis zu 70% der Arbeitszeit sparen und dabei rechtssichere Verträge produzieren. Dagegen setzen einige derzeit große Sprachmodelle sogar für Aufgaben ein, die sich mit Excel schneller, leichter und besser lösen ließen. Wichtig ist es deshalb, sich vor der Umsetzung zu fragen, welches das niedrigschwelligste, einfachste und hinreichend sichere Tool ist, dass die identifizierten Aufgaben erledigen kann."



Mehr zur Person:
Nathalia Schomerus arbeitet seit 2022 bei der internationalen Wirtschaftskanzlei CMS im Bereich Legal Tech. Sie beschäftigt sich mit den strategischen KI-Projekten der Kanzlei und in diesem Kontext primär mit der Anwendung und Entwicklung von generativer KI an der Schnittstelle zwischen Knowledge Management und Training. Nathalia ist Juristin und Theologin und schloss ihr Studium als Clore Graduate Scholar an der Universität Oxford ab. Vor ihrer Zeit bei CMS gründete sie ein StartUp und wurde dafür als Forbes 30 under 30 Europe ausgezeichnet.

von Martin Lager 8. November 2024
Gemeinsame Presseerklärung vom Deutschen Anwaltverein (DAV), der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK), dem Deutschen Richterbund (DRB), dem Deutschen Juristinnenbund (djb), dem Deutschen Juristentag (djt), der Neuen Richtervereinigung (NRV), dem Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV) und der Vereinigung der Wirtschaftsjuristinnen und -juristen (VWJ). Den Rechtsstaat auch in der Krise bewahren: Unabhängigkeit des Bundesverfassungsgerichts stärken Berlin. Nach dem Bruch der Ampelkoalition werden auch zahlreiche rechtspolitische Vorhaben nicht mehr umgesetzt. Die geplante Grundgesetzänderung zur Stärkung der Resilienz des Bundesverfassungsgerichts ist aber von so herausragender Bedeutung für den Rechtsstaat, dass alle demokratischen Parteien sich dafür einsetzen müssen, die Reform noch vor den angestrebten Neuwahlen zu beschließen. Die Verbände fordern, das in erster Lesung bereits konsentierte und überparteiliche Projekt jetzt zügig abzuschließen. Den demokratischen Parteien im Bundestag ist es gelungen, gemeinsam ein gutes Konzept zur Stärkung des Bundesverfassungsgerichts vorzulegen. Jetzt gilt es, die erarbeiteten Gesetzesentwürfe zur besseren Absicherung des Gerichts schnellstmöglich zu verabschieden. Das gehört zu den vordringlichsten Aufgaben bis zum Jahresende. Es darf nicht sein, dass das Erreichte wegen des vorzeitigen Endes der Legislaturperiode doch noch scheitert. Es wäre unverantwortlich, wenn ein besserer Schutz des Karlsruher Gerichts vor gezielten Eingriffen oder Blockaden am parteipolitischen Streit über die Wirtschafts- und Finanzpolitik in der Ampel scheitern würde. Wir appellieren daher dringend an alle demokratischen Fraktionen im Bundestag: Beschließen Sie jetzt die notwendigen Änderungen des Grundgesetzes, um das Bundesverfassungsgericht als Bollwerk der Demokratie zu stärken.
von Martin Lager 25. April 2023
Niklas Lassen und Matthias Osing referierten am 21.02.2023 bei der VWJ im Rahmen der monatlichen Present Your-Vortragsreihe mit dem Titel „ Kein/e Anwält:in benötigt: Vertragsgeneratoren als Motor der Innovation “. Inhalt des Vortrags: Durch eine Reihe von Entscheidungen im Bereich Legal Tech sorgte der Bundesgerichtshof in den vergangenen Jahren für eine voranschreitende Liberalisierung des Rechtsdienstleistungsmarktes und somit für zunehmenden Unmut in der Anwaltschaft. Niklas Lassen und Matthias Osing erläuterten in diesem Vortrag, wie der Gesetzgeber auf diese Entscheidungen reagierte und welche Möglichkeiten sich daraus für eine mögliche Selbstständigkeit von Wirtschaftsjurist:innen ergeben. Die beiden Gründer berichteten aus eigener Erfahrung über die Funktionsweise ihrer Vertragsgeneratoren sowie von Chancen und Stolpersteinen der frühen Phase der Selbstständigkeit.
von Laura Herr 5. Februar 2023
Am Freitag, den 03.02.2023, fand unsere erste Präsenzveranstaltung des Jahres 2023 statt: der VWJ x TQG Legal Tech Dialog . Gemeinsam mit unserem Kooperationspartner der The Quality Group GmbH konnten wir einen zertifizierten Workshop in Berlin ausrichten. Neun Mitglieder folgten der Einladung, wobei es besonders schön war, neue und bereits bekannte Gesichter auch vor Ort zu sehen. Steffen Schaar (Mitglied der Geschäftsführung der TQG) und Samuel Marcius (Customer Engagement Manager & Creative Process Advisor der TQG) nahmen dabei die weite Reise aus Böblingen auf sich, um mit Blick über die Dächer Berlins rund um das Thema Legal Tech – digitales Arbeiten mit Service Workflows zur Effizienzsteigerung im Arbeitsalltag zu referieren. Dabei gingen sie unter anderem auf Potentiale im digitalen Alltag von Organisationen und auf die Erarbeitung von nachhaltigen, verbindlichen Mechanismen im Umgang mit Wissen, Daten, und Dokumenten sowie auf die praktische Erarbeitung von Qualität und Verbindlichkeit in der Ablauforganisation mittels Workflows (BPMN 2.0) ein. Wie der Veranstaltungstitel erahnen lässt, handelte es sich um einen Dialog zwischen den Referenten und den Teilnehmenden. Ganz nach dem Motto „Jeder kann programmieren“ wurde ein Workflow nach den Anforderungen der Teilnehmenden erstellt. Wir danken der TQG für diese hochrelevanten Informationen und dem spannenden Austausch!
von Lucas Zoller 29. Januar 2023
Prof. Dr. Michael Fuhlrott referierte am 26.01.2023 bei der VWJ im Rahmen der monatlichen Vortragsreihe „Present Your …“ mit dem Titel „Die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung – oder: Stempelst Du schon?“.
von Dominik Meinshausen 31. Dezember 2022
Rückblick auf die VWJ-Geschehnisse des Jahres 2022
von Arne Freese 29. Dezember 2022
Die VWJ thematisiert die Ungleichheit der Nutzungsvoraussetzungen des beA-Postfachs. In diesem Beitrag wird Stellung bezogen und Handlungsbedarf aufgezeigt.
von Martin Lager 4. August 2022
Die VWJ bezieht Stellung zur emotional diskutierten Thematik eines integrierten Bachelors (LL.B.) im Jurastudium. Dabei legen wir unsere Ansicht zu den notwendigen Rahmenbedingungen einer etwaigen Einführung dar und ergänzen die Diskussion um eine neue Perspektive: die der Wirtschaftsjuristinnen und -juristen.
von Martin Lager 14. Juni 2022
Hintergründe zum Cover & Interview des DiALOG-Magazins mit einigen aktiven Mitgliedern der VWJ
von Alexander Keilbach 5. Juni 2022
Der Beitrag widmet sich dem Berufsfeld der Insolvenzverwaltung aus der Perspektive von Wirtschaftsjuristinnen und -juristen und zeigt auf, warum der Studiengang Wirtschaftsrecht sich hervorragend eignet, um in der Insolvenzverwaltung tätig zu werden.
von Tessa Irrgang 20. Februar 2022
Wirtschaftsrecht - ein Studiengang, aber zu viele Möglichkeiten? Nichts Ganzes und nichts Halbes? Keine umfassende juristische Breitbandausbildung im klassischen Sinne, keine Staatsexamina, ein die Entscheidungsunfreudigkeit der heutigen Jugend förderndes Konstrukt? Die negative Kritik an der Modernisierung der juristischen Ausbildungsmöglichkeiten ist groß. Und doch öffnet genau dieses Studium den Absolventinnen und Absolventen einen Zugang zum Markt, der kaum Grenzen aufweist. Durch gesellschaftsrechtliche und liegenschaftsrechtliche Nischenspezialisierung bereitete mich das Studium nicht nur auf einen sauberen Einstieg in Unternehmen oder Wirtschaftskanzleien vor, sondern bot mir die Möglichkeit, mit tiefgreifendem rechtlichen Verständnis in einen relativ exklusiven Teil des Marktes einzusteigen - ins Notariat - und das, ohne Volljuristin zu sein. Der Notar als Öffentliche Stelle in seiner ganzen Ehrwürdigkeit bleibt in Berlin eine geschützte Position, nur erreichbar über die Befähigung zum Richteramt und eine qualifizierte Weiterbildung zum Anwaltsnotar. Ich muss zugeben, dass ich dieser Tatsache kritisch gegenüberstehe, stellt unsere spezialisierte wirtschaftsjuristische Ausbildung mit Praxisbezug doch in meinen Augen eine ebenso solide Grundlage dar, um indirekt die Wirtschaftswelt mitzugestalten. Doch natürlich, es gibt eben juristische Bereiche, die unser Studium nicht abdeckt, wie das im Notariat so wichtige Erb- und Familienrecht. Ist dies der springende Punkt, weshalb es uns verwehrt bleiben sollte, die Weiterbildung zum Notar oder zur Notarin zu absolvieren? Eine Weiterbildung, die noch einmal eben jene Themenschwerpunkte notarspezifisch aufarbeitet und aus einem neuen Blickwinkel lehrt? Obwohl doch das Metier des Notars eine einzigartige Brücke bildet, zwischen einer staatlichen Institution und der Wirtschaftswelt. Ebenso wie auch der Beruf des Wirtschaftsjuristen eine Brücke schafft zwischen Wirtschaftswelt und dem Rechtswesen. Während ich so über die Parallelen und Diskrepanzen dieser Gegenüberstellung grübele, bleibt mir wohl doch erst einmal nur die Position als qualifizierte Mitarbeiterin im Notariat, um die Wirtschaftswelt indirekt mitgestalten zu können. In den Bereichen des Vertragswesens, der Gründungsprozesse, bei der Begleitung der Gesellschaften im Alltagsgeschäft und natürlich im allumfassenden Immobilienwesen kann ich mein Studium direkt in die Praxis umsetzen, doch immer mit dem Hintergedanken, dass meine Ausbildung so viel mehr Potential schafft. Vielleicht ist es an der Zeit umzudenken und mit moderner Umstrukturierung des Rechtswesens die Exklusivität der Notariate ein Stück weit aufzubrechen und Raum zu geben, für modernes Denken und Anpassung an die junge, aufgeschlossene Nachwuchsgeneration der Wirtschaftsjuristinnen und Wirtschaftsjuristen.
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