Niklas Lassen und Matthias Osing referierten am 21.02.2023 bei der VWJ im Rahmen der monatlichen Present Your-Vortragsreihe mit dem Titel „Kein/e Anwält:in benötigt: Vertragsgeneratoren als Motor der Innovation“.
Inhalt des Vortrags: Durch eine Reihe von Entscheidungen im Bereich Legal Tech sorgte der Bundesgerichtshof in den vergangenen Jahren für eine voranschreitende Liberalisierung des Rechtsdienstleistungsmarktes und somit für zunehmenden Unmut in der Anwaltschaft.
Niklas Lassen und Matthias Osing erläuterten in diesem Vortrag, wie der Gesetzgeber auf diese Entscheidungen reagierte und welche Möglichkeiten sich daraus für eine mögliche Selbstständigkeit von Wirtschaftsjurist:innen ergeben. Die beiden Gründer berichteten aus eigener Erfahrung über die Funktionsweise ihrer Vertragsgeneratoren sowie von Chancen und Stolpersteinen der frühen Phase der Selbstständigkeit.
VWJ: Die selbstständige Rechtsberatung ist gemäß den Regularien des Rechtsdienstleistungsgesetzes bisher der Anwaltschaft vorbehalten. Verstößt das Geschäftsmodell eures Start-Ups KoRecht, nämlich die Erstellung von Vertragsmustern, nicht dagegen?
Niklas Lassen & Matthias Osing: „Das Rechtsdienstleistungsgesetz dient dazu, rechtssuchende Personen und unsere Rechtsordnung vor unqualifizierten Rechtsdienstleistungen zu schützen. In diesem Rahmen wird auch geregelt, wer unter welchen Voraussetzungen Rechtsdienstleistungen erbringen darf. Das RDG funktioniert dabei so, dass es grundsätzlich verboten ist eine Rechtsdienstleistung zu erbringen, es sei denn das RDG erlaubt es ausdrücklich. Eine solche erlaubnispflichtige Rechtsdienstleistung i. S. d. RDG ist jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert.
Die Erstellung von Vertragsmustern für einzelne Kund:innen stellt auch in der Tat eine erlaubnispflichtige Rechtsdienstleistung dar. Die Tatsache, dass ein automatisierter Vertragsgenerator jedoch nicht ein Vertragsmuster für ein:e Kund:in erstellt, sondern von einer Vielzahl von Verträgen für verschiedene Kund:innen sorgt dafür, dass keine juristische Prüfung des konkreten Einzelfalls erforderlich ist. Dieser Auffassung folgte im Jahr 2021 auch der BGH und entschied, dass das Anbieten von Online-Vertragsgeneratoren keine erlaubnispflichtige Rechtsdienstleistung i. S. d. RDG darstellt und somit auch keiner speziellen Erlaubnis bedarf.
Dieser Rechtsprechung folgend verstößt das Geschäftsmodell von KoRecht nicht gegen die Regularien des Rechtsdienstleistungsgesetzes.“
VWJ: Werden wir in Zukunft ausschließlich von Vertragsgeneratoren generierte Verträge sehen?
Niklas Lassen & Matthias Osing: „Die Anzahl von automatisch generierten Verträgen hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen und wird auch in Zukunft noch weiter ansteigen. Das liegt ganz einfach daran, dass Vertragsgeneratoren ideal dafür sind, häufig auftretende bzw. wiederkehrende Sachverhalte abzudecken und zu automatisieren.
Bei der Erstellung eines Vertragsgenerators müssen jedoch sämtliche durch das Tool abdeckbaren Sachverhalte einprogrammiert werden. Da man im Vorhinein unmöglich alle erdenklichen Sachverhalte mit einbeziehen kann, gelangt man hier an ganz logische Grenzen, die ohne menschliches nachjustieren nicht überschreitbar sind. Inwieweit Künstliche Intelligenz hier in Zukunft eine Rolle spielen wird, bleibt abzuwarten. Wir beobachten diesen Bereich doch mit viel Spannung und Vorfreude.
Es ist also eher unwahrscheinlich, dass in absehbarer Zukunft Verträge ausschließlich durch automatisierte Vertragsgeneratoren erstellt werden. Die Anzahl an automatisch erstellten Verträgen wird jedoch mit Sicherheit stark zunehmen.“
VWJ: Aus eurer Erfahrung als Unternehmensgründer, welche Perspektive seht ihr für Wirtschaftsjuristinnen und -juristen auf dem Weg in die Selbstständigkeit? ?
Niklas Lassen & Matthias Osing: „Man muss zunächst einmal festhalten, dass wir Wirtschaftsjurist:innen durch unser Studium recht breit aufgestellt sind. Neben juristischem Fachwissen werden auch betriebswirtschaftliche Kenntnisse gelehrt, die sich im Verlauf der Selbstständigkeit stets als sehr nützlich erweisen. Des Weiteren nimmt die Entwicklung im Bereich Legal Tech immer mehr Fahrt auf und wird auch entsprechend vom Gesetzgeber unterstützt.
Diese beiden Aspekte sind die idealen Grundvoraussetzungen für eine Selbstständigkeit im Bereich Legal Tech.
Falls es an einer eigenen Geschäftsidee fehlt, besteht auch die Möglichkeit, sich als Co-Founder:in an anderen Start-Up-Projekten zu beteiligen. In Gesprächen mit anderen Gründer:innen wird uns gegenüber immer wieder betont, wie viel Zeit und Energie Gründer:innen zur Lösung betriebswirtschaftlicher oder juristischer Probleme aufwenden müssen, die sie andernfalls in ihr Projekt investieren könnten und wie gern sie in diesen Bereichen auf die Unterstützung einer:s Co-Founder:in zurückgreifen können würden.
Generell möchten wir dazu ermuntern, den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen. Selbst wenn das Projekt Selbstständigkeit scheitern sollte, die gesammelten Erfahrungen kann einem niemand nehmen und sofern man sein eigenes finanzielles Risiko minimiert, gibt es auch nicht viel zu verlieren.“
Mehr zu den Personen:
Niklas Lassen und Matthias Osing sind Wirtschaftsjuristen und zwei der Gründer und Geschäftsführer des jungen Legal Tech Start-Ups KoRecht. KoRecht ist ein Anbieter von Onlinevertragsgeneratoren zur Erstellung individualisierter Vertragsmuster.